Wir lassen uns auf das Abenteuer ein, nach dem gestrigen, vergeblichen Versuch ein zweites Mal zum Südwest-Gate (Sam Knott/ Kamadolo) des Great Fish River Natur Reserve zu fahren. Die Dame heute ist geistig reger und in der englischen Aussprache bemühter als diejenige von gestern und es muss nicht gleich der Supervisor angerufen werden. Von einer ausgedruckten Preisliste können sowohl sie als auch wir die 26 Rand Conservation Fee und 129 Rand Fee für Self Game Drive entnehmen. Immer noch eine merkwürdige Strategie, das Selbstfahren zu berechnen, aber nun gut. Wir lassen die Formulare über uns ergehen und bekommen eine großmaßstäbliche Karte in die Hand gedrückt. Fragen, ob wir mit unserem Fahrzeug hier oder dort fahren können, laufen ins Leere: „all roads are bad, but you should be fine“. Der erste Loop vom Gate aus zum Khwalamanzi Gate geht schon mal gleich in die Hose. Die Trasse ist kaum mehr als ein Feldweg, eng und hat seit Monaten keine Fahrspuren gesehen. Wir drehen um und versuchen es Richtung Basil Kent Research Center. Bis dorthin ist die Piste machbar, danach verliert sie sich im Fadenscheinigen. Also starten wir Versuch Nummer 3 Richtung Bucklands Private Game Rerve mit der an Sicherheit grenzender Annahme, dass wir dort abgewiesen werden oder erneut zur Kasse gebeten werden. Aber das Tor lässt sich öffnen und wieder schließen, auf einem der Schilder steht „Don‘t even think about leaving the gate open!“ Die Piste bleibt einspurig und mit Auswaschungen und Steinplatten sowie Washboards holprig, aber machbar. Wir sehen Steenbok, Ostrich, Kudus und mehrere Gruppen Baboon, aber alle sehr scheu. Kaum hat man sie entdeckt, sind sie im Albany Thicket verschwunden. Aber die Landschaft ist schön mit hohen Hügeln und tiefen Tälern. Wir nähern uns dem nächsten großen Fragezeichen, der Furt über den Fish River. Sie enpuppt sich als betonierte Fahrspur, die vom Fluss überspült wird. Kein Problem für uns, da haben wir in Island vor ganz anderen Furten gestanden. Auf einem Grat geht es in einer der vielen, perfekt ausgeformten Windungen des Fish River entlang mit mehrfachen Blick hinab auf den Fluss. Da wir die letzten 25 km kein anderes Fahrzeug gesehen haben, lassen wir die Drohne steigen und frühstücken am Pistenrand. Der kurze, aber steinplattige Abstecher zum Adams Krantz Viewpoint führt zu einer sehr schön gemachten Plattform mit herrlichen Blick hinab in den Fish River Canyon. HP entdeckt einen Schakal, als wir an drei Straußenvögeln halten. Und kurz darauf ein abgenagtes Bein. Just in diesem Moment kommen Ranger vorbei und steigen aus, um den Kadaver anzuschauen. Tanja steigt aus und deutet mit Gesten die Frage an, ob wir auch hinlaufen dürften. Ja, und so bekommen wir ein wohl aus Altersgründen verstorbenes Nyala mit gänzliche aufgerissenem Bauch, fehlenden Augen und abgebissener Schnauze zu sehen. Das gehört eben auch dazu, wo die Natur regiert. Am Double Drift Office mit seinem wenigen Gebäuden versuchen wir nochmals die Frage, wo wir langfahren können und erhalten als Tipp einen der Loops, die am Camp starten. Ob wir dort eines der 100 Spitzmaul-Nashörner des Parks sehen könnten? Nein, die seien alle im Südesten auf der anderen Flussseite. Na, da kommen wir ja gerade her und haben keines gesehen, tatsächlich aber mehrere Dunghaufen. Wir starten den Loop und drehen nach ca. 1 km wieder um: Hier ist seit Wochen oder Monaten weder eine Guided Tour noch ein Self-Drive-Fahrzeug durchgefahren, so dicht sprießt das aufrechte Gras auf den Fahrspuren, an denen ebenfalls vereinzelt Rhino-Kot liegt. Wenn wir nicht schon seit Stunden über ruppige Piste durch den Park gegondelt wären, hätten wir den Loop vermutlich gemacht, aber so graust uns eher noch vor der langen Ausfahrt nach Südosten zum Breakfast Vlei Gate. Doch die Fahrt wird völlig unerwartet unterbrochen von unserem ersten Spitzmaul-Nashorn-Bullen!
Das erste Nashorn – und gleich ein Spitzmaul-Nashorn
Das erste Spitzmaul-Nashorn unserer Afrika-Tour steht zunächst unbeteiligt ca. 50 m auf einer eher offenen Grasflächen im Great Fisch River Nature Reserve auf der Strecke vom Double Drift Office zum Breakfast Vlei Gate. Als wir eine Vollbremsung hinlegen und stehen bleiben, trottet er zielstrebig bis auf 5 m an uns heran und behält uns fest im Visier. Müssen wir weichen und vor oder zurück fahren? Stattdessen verhalten wir uns ganz ruhig ohne hektische Bewegungen und sprechen leise. Der Rhino-Bulle guckt unser Fahrzeug lange an, dann findet er uns offenbar o.k. und läuft parallel zur Piste zum Wasserloch. Danach trottet er ein Stück über die Grasfläche, bis eine Krähe frech auf seinem Rücken landet. Doch statt sie abzuschütteln, legt sich der Kolloss hin und mit erhobenen Beinen auf die Seite, damit die Krähe ihm Parasiten aus der Haut picken kann. Nach der Pediküre steht das Rhinoceros auf und kommt nochmal auf uns zu. Langsam und in mehreren Etappen mit längeren Denkpausen, doch nochmals auf 5 m Nähe. Wie beim ersten Mal passiert all das ohne jede Drohgebärde und ohne jedes Geräusch. Kein Schnauben, kein Kopfsenken oder -nicken, kein Scharren. Der Gute scheint einfach nur sehr neugierig zu sein, wer wir sind. Als auch die zweite Begutachtung mit dem Stempel „akzeptiert“ ausfällt, stampft das Nashorn ins Dickicht und ward verschwunden. Wow, was für eine Begegnung!s .