Verhaltensregeln beim Wild Camping
Wildes Campen ist in den USA auf allen Flächen erlaubt, die sich in staatlichem Besitz befinden, aber keiner Naturschutz-Kategorie untergeordnet sind, also auf „public land“. Hierzu zählen unter anderem die National Forests und BLM-Land. Letzteres sind Gebiete, die vom Bureau of Land Management verwaltet werden. Auf Privatland ist es grundsätzlich untersagt, wild zu campen. In Colorado sehen wir ein Schild: „No trespassing. Violators will be shot. Fugitives will be shot twice!“ Wobei Privatland nicht nur solches von Farmern, Ferienhäusern oder Wohnhäusern ist. Es kann sich ebenso im Besitz von Konzernen, Einzelfirmen, Gemeinden etc. befinden. Eine erste Orientierung gibt zuverlässiges Kartenmaterial wie die Triple-A-Karten, in denen BLM-Land und National Forests farblich gekennzeichnet sind. Vor Ort achtet man auf braune Schilder mit weißer Schrift, die „entering public land“ oder „leaving public land“ deklarieren. Auch Anfang und Ende eines „National Forests“ sind sehr häufig entlang der Zufahrtswege markiert. Unser TomTom als Navigationssystem fürs Straßennetz mit amerikanischem Kartenset erweist sich in dieser Hinsicht ebenfalls als sehr zuverlässig und zeigt die „public lands“ grenzgenau korrekt an.
Die Freiheit, „überall“ auf Public Land zelten oder campen zu dürfen, hat aber natürlich auch Grenzen! Denn benutzt werden dürfen nur Plätze, die bereits zuvor zum Campieren genutzt wurden und z. B. mit einem Steinring für Lagerfeuer gekennzeichnet oder an Reifenspuren erkennbar sind. Man kann in Seitenwege zurückstechen oder Holzlagerplätze vom Holzeinschlag nutzen. Nicht erwünscht ist die „Eröffnung“ neuer Campingstellen, indem man einfach in eine unberührte Wiese oder auf eine naturbelassene Waldlichtung fährt. Solche Stellen findet man folgerichtig des Öfteren mit dem Hinweisschild „no camping“ versehen, an das man sich halten sollte. Was man ebenfalls nicht darf, ist auf dem Hauptweg randlich stehenzubleiben oder Ausweichbuchten als Standplatz zu nutzen. Denn selbst mitten in der Nacht werden die Feld- und Waldwege befahren, unserer Erfahrung nach vor allem von Jägern (Reisezeit: Herbst). Und mit diesen, bis an die Zähne bewaffneten, grummeligen Herren legt man sich besser nicht an, indem man ihnen die Ausweichmöglichkeit bei Gegenverkehr versperrt.
Die eine oder andere Verwirrung stiftet bei frisch gebackenen „Wildcampern“ das System in den National Forests und auf BLM-Land. Denn hier werden einerseits offizielle, gut ausgebaute Campgrounds der simplen Art (primitive / dry camping) angeboten, andererseits darf man sich, unter Einhaltung der oben beschriebenen Grundregeln überall hinstellen. Es bleibt einem selbst überlassen, ob man den Luxus einer ebenen, gekiesten Stellfläche mit Holzbank, Holztisch und Grillstelle mit Rost gegen eine Gebühr von $ 10 bis 25 genießen möchte oder autark und einsam abseits ohne jedweden Service stehen möchte.
Immer wieder tief verneigen wir uns vor der Disziplin der Amerikaner, die keinen Müll beim Wild Camping hinterlassen. Einen Riesen-Dank an alle! Egal wie gern die Amerikaner grillen und gefühlt den gesamten Inhalt ihrer Küche zum Campen mitschleppen, wenn sie einen Platz verlassen, bleibt nicht ein Zigarettenstummel zurück. In 98 % der Fälle zumindest. Idioten gibt es immer, für die weder geschriebene noch ungeschriebene Regeln gelten und die zum x-ten Mal ausprobieren, ob die Dosen und Bierflaschen nicht doch in der Restglut des Campfires rückstandslos verbrennen. Tun sie nicht… Die allermeisten aber, vom Windelalter bis zum Senior praktizieren „leave no trace“ und das mit vorbildlicher Konstanz. Ausnahmen wie die folgende sind ausgesprochen rar. Donnerstag, 29.11., Big Bend State Park: „An einer Picknick-Area halten wir kurz, um die blühenden Yucca torreyi zu fotografieren. Ein Picknicker hat es noch nicht mal geschafft, den Müll vom letzten Mahl 10 m zur Mülltonne zu tragen und hat seinen Berg Fastfood-Abfall auf dem Tisch stehen und liegen lassen. Muss sowas sein bei all‘ dem Service, den die National Parks ihren Besuchern bieten?“
Ebenso erstaunlich ist für uns immer wieder die Tatsache, dass öffentliche Einrichtungsgegenstände heil bleiben. Da steht eine Pit Toilet am Straßenrand, eine Picknick-Bank am Strand. Unbeschadet, unzerkratzt, ohne Brandlöcher. Bei uns ständen diese Service-Elemente keine 14 Tage da, ohne dass Vandalismus oder Diebstahl zuschlagen würden. Und selbst wenn in die Holztische gelegentlich Initialen eingeritzt sind oder Kerzenwachs aufs Holz getropft ist, sind sie immer benutzbar und man nimmt gern Platz zwischen den Gebrauchsspuren derer, die vor uns da waren. Die Pit Toilets sind sauber, weil sie regelmäßig von Rangern, vom Forest Service oder Volunteers gereinigt werden. Nur der Geruch kann unangenehm sein, denn trotz ausgeklügelter Lüftungssysteme müffelt es je nach Wetterlage aus den offenen Gruben. Dieser kleine olfaktorische Lapsus (Nase zu und durch) ist uns aber allemal lieber, als neben den Wanderwegen auf menschliche Hinterlassenschaften mit Klopapierbergen zu stoßen, die selbst nach einem harten Winter nicht verrotten (ein „Verdienst“ von Tempo und Co., die Taschentücher inzwischen so reißfest fertigen, dass sie nicht mal mehr in der Waschmaschine zerkrümeln, geschweige denn, im feuchten Klima Oregons verrotten können). Wir könnten uns vorstellen, dass in den Sommermonaten, wenn weit mehr Besucher in der amerikanischen Natur unterwegs sind, mehr Müll anfällt. Und sei es versehentlich, weil ein Bonbonpapier verweht oder vom Rucksack etwas unbemerkt abreißt. Dann aber kommen die Volunteers und staatlichen Angestellten ins Spiel, die regelmäßig häufig frequentierte Wege ablaufen und mit Zangen verlorene Gegenstände aufsammeln. Wer macht so was eigentlich bei uns in Wald, Feld und Flur?
In ein Fettnäpfchen tritt man als Europäer gern und häufig: Man parkt zu eng neben einem bereits vorhandenen Camper! Ein absolutes no-go für die Amerikaner, die ihren Freiraum schätzen und im Zweifelsfall auch einfordern. Während in der Jahrhunderte währenden Enge Europas die Überschreitung persönlicher Sicherheitsabstände kaum mehr wahrgenommen wird, reagieren die Amerikaner hier sehr empfindlich. Tritt Ihr Gesprächspartner dezent einen Schritt zurück, wenn Sie ihm eine Frage stellen, liegt das nicht am Knoblauch in der Spaghetti-Sauce von gestern Abend, sondern am Abstand. Auf den ersten USA-Reisen wundern wir uns, warum uns beim Lebensmittel-Einkauf in den Supermarkt-Gängen Kunden ein „sorry“ zuraunen. Dabei haben wir uns im Vorbeigehen gar nicht berührt? Wir sind uns aber mit unter einem Meter Abstand an ihnen vorbeigegangen. Deutlich zu nah! Diese größere Privatsphäre gilt auch beim wilden Campen. Wenn wir Europäer denken, auf die Hügelkuppe oder die Stellfläche passen doch noch fünf weitere Wohnmobile mit Leichtigkeit hin, überlässt man im Westen der USA dem Ersten den Platz zur Gänze und fährt weiter, bis man einen leeren Platz für sich findet: first come, first serve. Zumal der nächste, freie Platz meist gar nicht weit ist. Ein Vorteil für alle, denn am Ende bleibt jeder ungestört. Tückisch dabei kann die Höflichkeit der Amerikaner sein, denn sie sagen nicht immer offen, was sie denken. So werden manche ihren Zeltplatz mit ihnen teilen, um nicht unhöflich zu sein. Aber gehen Sie davon aus, dass es ihnen nicht gefällt und „those germans“ intern mit weniger nachsichtigen Worten betitelt werden…
Eine ganz andere Form des Wild Camping in der Bedeutung „kostenlos übernachten“, findet in den Städten statt. Sehr oft hört man den Tipp, auf den bewachten und patrouillierten Wal-Mart-Parkplätzen könne man sehr gut und kostenlos übernachten. Letzteres stimmt, ersteres nicht. Wir probieren es aus und verbringen ein der schlaflosesten Nächte überhaupt. Die ganze Nacht fahren Autos und schlagen Türen, denn Wal-Mart hat bis spät in die Nacht, oft sogar rund um die Uhr auf. Einkaufszentren liegen verkehrsgünstig, die nächste Autobahn oder stark frequentierte Hauptstraße mit ihrem an- und abschwellenden Verkehrslärm und Karren ohne Auspuff ist nicht weit. Industriegebiete werden gern an Eisenbahnstrecken für den Warentransport angeschlossen. Die Züge rattern mit lautem Tröten auch nachts vorbei. Kurzum: Einmal Supermarkt-Parkplatz und nie wieder. Einschränkend müssen wir gestehen, dass wir von Zuhause absolute, nächtliche Stille mitbringen, da wir außerhalb der Ortschaft und ca. 800 m von der nächsten Hauptstraße entfernt wohnen. Gewohnheitsbedingt sind wir dadurch sehr lärmempfindlich und wachen bei geringsten Störungsquellen auf. Wer hier hart gesottener ist und mehr Lärm zu tolerieren weiß, kommt vielleicht besser mit einem Supermarkt-Parkplatz klar.