Tiere beobachten

Wildlife in den USA

Fernsehfilme nähren das Image, dass man in Amerika allenthalben Bären und Elchen über den Weg läuft. Bekanntlich sind die USA aber auch ein Land, in dem jeder eine Waffe tragen darf. Und es auch tut (oder zumindest eine zu Hause oder im Auto liegen hat). Ebenso weit verbreitet ist die Jagd. Gerade im Herbst ist hierfür Hochsaison. Je nach Naturschutz-Status eines Gebiets, ist diese zwar z.T. stark reglementiert, aber scheu macht sie die Tiere trotzdem überall!

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Red Canyon, Flaming Gorge National Recreation Area, Utah

Deshalb ist es außerhalb der National Parks, in denen die Jagd im Grundsatz verboten ist, für Normalreisende schwer, mehr als wenige Sekunden einen Blick auf Wapiti, Elch, Reh oder Bär zu erhaschen, da sie auf sofortige Flucht programmiert sind. Natürlich gelingen Profi-Fotografen allenthalben in den USA spektakuläre Tieraufnahmen, aber sie müssen dazu Tricks wie Tarnung etc. anwenden. Mal eben aus dem Auto aussteigen und einen Elch beim Weiden im alpinen See zu beobachten, das ist unserer Erfahrung nach nur in den Nationalparks „mit Garantie“ möglich. In National Forests oder National Recreation Areas kann man durchaus Glück haben und Tiere sichten, die nicht gleich Reißaus nehmen, aber die Regel ist es nicht. In National Wildlife Refuges, die schon im Namen den „Rückzugsort für Wildtiere“ tragen, ist die Jagd erlaubt, wie widersprüchlich! Kaum verwunderlich, heben die Vögel vor lauter Panik schon ab, wenn sie einen Zweibeiner nur aus der Entfernung sehen. Für Naturliebhaber eine schwer verständliche Praxis, aber die Jäger spülen offenbar mehr Geld in die Kassen als die Naturinteressierten, wie uns ein Ranger auf Nachfrage verrät.

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Lamar Valley, Yellowstone Nationalpark, Wyoming

Ein Paradoxon, das sich durch eine entsprechende Gebührenpolitik sicher lösen lassen würde. Den Amerikanern in ihre Naturschutzphilosophie hineinreden zu wollen, wäre jedoch vermessen. Schließlich können sie flächenmäßig mehr und wildreichere Schutzgebiete vorweisen als ganz Europa zusammengenommen. Aber man könnte die Natur- und Tierfans doch einfach ein bisschen stärker zur Kasse bitten und dafür die Jäger aus den Schutzgebieten verbannen, damit die Tiere dem Menschen mehr vertrauen und sich ohne Fluchtreflex besser beobachten lassen.

Persönliche Gedanken zum Wildlife Viewing

„Ich bin mir inzwischen nicht mehr im Klaren, ob die Tiersichtungen in den National Parks das sind, was man als Besucher erstreben sollte. Ich persönlich finde es weiterhin klasse, wenn die Tiere nicht die Flucht ergreifen, sobald sie einen Menschen sehen. Wenn man sie fotografieren und damit virtuell mit nach Hause nehmen kann. Aber ist das Stillstehen nicht im Grunde genauso unnatürlich wie der durch die Jagd gesteigerte Fluchtinstinkt? Welches Verhalten entspricht dem natürlichen Charakter von Wildtieren? Jedes Tier hält einen bestimmten Sicherheitsabstand. Die Bisons, die wir im Pelican Valley gesehen haben, grasten im Angesicht der Wölfe friedlich weiter. Und auch Tierfilme aus Afrika zeigen, dass Gazellen nicht a priori Reißaus nehmen vor Löwen, wenn diese gesättigt vorbeischlendern. Sie beobachten ihre Feinde genau und ordnen sie täglich neu in „gefährlich“ oder „ungefährlich“ ein. Also ist es doch ein grundnatürliches Verhalten, wenn dutzende parkender Autos und harmlose Zweibeiner mit Kameras die Tiere nicht zur Flucht veranlassen? Oder ist es ein Verhalten wie im Zoo? Meine persönliche Schlussfolgerung:  Das Nationalparksystem ist gut, die Jagd das Grundübel. Denn außerhalb der strengen Schutzgebiete lässt sich kein Wildtier mehr blicken. Zeigt sich eins, flieht es auf hunderte Meter Entfernung. Und bleibt doch mal ein Jungtier neugierig stehen, muss man sich selbst fragen, ob man es nicht erschrecken und verjagen muss, weil der nächste, bei dem es dieses Verhalten zeigt, es kurzerhand erschießt. Auf Flächen, die aus der Jagd ausgeschlossen sind, zeigen die Tiere das wahre Bild, siehe Tschernobyl.“