Faszinierend weiße Gips-Dünen
Seitdem wir der White Sands Dünen im gleichnamigen National Monument in New Mexico erstmal angesichtig wurden, halten wir unsere Ohren gespitzt wie Flitzebögen, wenn das Wörtchen „gypsum“ für Gips fällt. Mit Erfolg: Wir „finden“ ein weiteres Gipssand-Areal! Am Rande des Guadalupe Mountains National Parks an der Grenze von Texas und New Mexico. Im Visitor Center des Nationalparks entdecken wir das Wörtchen auf einer Karte: „gypsum dunes“. Der nächste, freieRanger ist unserem Ansturm von Fragen kaum gewachsen: Darf man zu den Dünen fahren? Haben Sie eine Wegbeschreibung? Darf man sie ohne Guide erkunden? Auf das „yes“, „yes“ and „yes“ folgt etwas, das in Europa völlig undenkbar ist.
Wir bekommen einen Schlüssel für die Kette überreicht, die das Tor an der Einfahrt in das Gebiet verschließt! Wildfremden Touristen, nur gegen eine Unterschrift, vertraut man hier ohne Kaution einen sicherheitsgezähnten Schlüssel an, den wir am nächsten Morgen zurückbringen sollen. Wir sollen dann nur das Tor wieder zusperren… Völlig perplex über so viel Vertrauen hüten wir das Stück Metall wie unseren eigenen Haus-, Auto- und Tresorschlüssel zusammen. Diese Offenheit der Amerikaner ist ein so seltenes Gut, dass kein Reisender riskieren sollte, es zu verlieren, denn das eigentlich Erstaunliche daran: Der Ranger ist sich gar nicht bewusst, welch‘ für uns wundersame Handlung er da gerade vollzogen hat! Für ihn ist es offenbar das Normalste auf der Welt. Auch in Australien haben wir es erlebt, dass es in manchen, abgelegenen Gegenden noch üblich ist, Haus und Auto nicht abzuschließen, wenn man weggeht. Aber für Europäer klingt das wie eine Fabel aus Grimms Märchen. Falsch, da gab es auch schon Räuber!
Mit dem Schlüssel bestückt, treten wir sogleich die Hinfahrt zum Dünengebiet an, die zunächst südlich aus dem Nationalpark-Areal herausführt und dann über eine ungeteerte Straße nach Norden und Osten zurück ins Schutzgebiet führt. Der Schlüssel passt – und wir können eine weitere Wunderwelt der Selenit-Kristalle entdecken. Deutlich kleiner in der Ausdehnung als die White Sands, aber dafür mit „background“: Die Guadalupe Mountains im Hintergrund schaffen ein Panorama, das die untergehende Sonne mit orange- bis rosafarbenen Schattierungen streift, während die Dünen davor zuerst ein roséfarbenes Kleid anlegen, dann ein blaues.
Hätte man nicht so viel zu tun mit dem Fotografieren, könnte man sich einfach nur hinsetzen und das Naturschauspiel in sich aufnehmen. Doch leider zählen wir immer noch zur Spezies der „getriebenen Reisenden“, die sich für das einzelne Ziel zu wenig Zeit nehmen und weiterhasten. Unser Bauchgefühl sagt uns schon längst „lasst uns länger bleiben“, aber der Verstand macht nicht mit und hält uns die lange Liste der Natur-Highlights vor, die wir noch vor uns haben. Deshalb zählt auch jetzt wieder in diesen fantastischen Dünen jede Minute, wir versuchen, jede Farbveränderungen zu fixieren, als ob sie Stunden dauern würde – dabei streichen die letzten Sonnenstrahlen im Zeitraffer über die Dünenkuppen.
Nach rund drei Stunden sind wir erschöpft, aber glücklich. Erlebnisse kann einem niemand mehr nehmen, sie bleiben mit uns verknüpft, für immer. Auch wenn die Details mit den Jahren verblassen. An die Tatsache, dass es „super schön“ war, werden wir uns ewig erinnern und bei einem Foto, über das man im Internet stolpert, begeistert ausrufen: „Guck mal, da waren wir auch schon. Weißt Du noch, die Geschichte mit dem Schlüssel…“
Aus unserem Tagebuch
„Dem Visitor Center des Guadalupe Mountains National Parks statten wir ebenfalls einen Besuch ab und fragen nach der Zufahrt zu den Salt Flat Dunes. Kein Problem, den Schlüssel fürs Gate bekommen wir gratis. Uns einen Schlüssel auszuhändigen, ist schon ungewöhnlich genug, aber ohne Kaution? Bei uns muss man schon auf dem Weihnachtsmarkt Kaution für Tasse und Löffel bezahlen… Mann, müssen die Amerikaner ehrlich sein!!!). Wir müssen ihn aber morgen abgeben. Die Anfahrt beträgt rund 50 Meilen, man gibt uns eine Anfahrtsbeschreibung.
Wir halten an den beiden Aussichtspunkten mit Blick auf El Capitan, die äußerste Spitze der Guadalupe Mountains, sowie Guadalupe Peak und machen rasch die Pflichtfotos. Wir kreuzen die Salt Flats und passieren Flächen voller Yucca elata, die ebenfalls einige Fotostopps wert sind, bevor wir nach rund 1 Stunde das Gate erreichen, das sich mit dem Schlüssel öffnen lässt: bingo. Wir parken am Ende der Stichstraße und müssen rund eine weitere Meile laufen, bis wir das unbewachsene Dünenfeld erreichen. Denn faktisch erstrecken sich die Dünen über viele Meilen zu Füßen der Guadalupe Mountains, sind aber nahezu vollständig bewachsen. Nur in diesem Bereich sind sie offener.
Sobald wir die erste Düne aus weißem Gipssand erklommen haben, geht die Foto-Session los. Dünen sind einfach fantastisch! Und die Guadalupe Mountains geben einen schönen Background ab. Wir sind so lange beschäftigt, dass der Sonnenuntergang nicht mehr fern ist und so beschließen wir, selbigen abzuwarten: gute Entscheidung! Die halbe Stunde danach reicht gerade so, um im letzten Tageslicht zum Auto zurückzulaufen. Ich übernehme die Rückfahrt, damit H.P. schon mal die Bilder herunterladen und beschriften kann. Gegen 18:30 Uhr erreichen wir den bereits von letzter Nacht bekannten Campground des Guadalupe Mountains N.P. und parken wieder in Nr. 31 ein. Die Steaks mit Bohnen sind rasch gebruzzelt und ohne Bildersichtung falle ich völlig groggy in die Federn – die 22 km Laufstrecke von heute stecken mir echt in den Knochen.“
Lage
Der Guadalupe Mountains National Park liegt in Texas an und über die Grenze zu New Mexico an der #62.
Unsere Bewertung
Attraktivität: *****
Foto-Optionen: ****
Aufwand: ****
Anfahrt und Wanderung
Anfahrt: nur nach Anmeldung im Visitor Center, Dirt Road, ca. 45 Minuten
Wanderung: so weit man möchte in die Dünenlandschaft hinein; wir brauchen rund 2 h und 6 km
GPS-Daten
Abzw von Hwy 62 auf Ranch Rd 1576:
31°44‘43‘‘N 105°04‘31‘‘W
Abzw. auf Williams Road:
31°55‘25‘‘N 105°08‘56‘‘W
Parkplatz und Trailhead:
31°55‘25‘‘N 105°00‘06‘‘W
Gypsum Dunes:
31°55‘31‘‘N 104°58‘52‘‘W
Bildergalerie
Karten
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